Die Renaissance der ZSC-Romantik – aber was wird aus Kloten?
Eine Szene wie aus einem Hollywood-Film über die verlorene Romantik des Sportes. Nach dem Verlängerungs-1:2 gegen Gottéron, der achten Niederlage in Serie, richtet Captain Patrick Geering einen flammenden Appell an sein Team und die Öffentlichkeit: «Wir wollen unbedingt mit Marco weiterarbeiten.» Trainer Marco Bayer soll also bleiben.
Solche Bekenntnisse gehören zwar zum Standardprogramm jeder Krise. Doch diesmal folgen auf die Worte starke Taten. Patrick Geering erzielt am nächsten Tag beim Derby in Kloten das 1:0, das den ZSC Lions den Weg zum Sieg (4:1) ebnet. Das ist wahre Romantik: Ein Team bekennt sich zum Trainer – und beendet die Niederlagen-Serie.
Die ZSC Lions sind 1997 aus dem alten ZSC hervorgegangen. Ganz offensichtlich steckt nach wie vor viel ZSC auch in den ZSC Lions. Der alte ZSC war eine Hockey-Organisation mit Kult- und Operettencharakter. Ein wenig wie der FC Winterthur im Fussball: Immer zu wenig Geld und oft zu wenig Talent. Aber es fehlte nie an dem, was im Sport ohne Geld zu haben ist: Leidenschaft, familiärer Zusammenhalt und Grinta (= Kampfgeist, Biss, Entschlossenheit, Einsatzwille).
Nicht neue Spieler – die ZSC Lions könnten sich jederzeit neue ausländische Verstärkungen leisten –, überraschende Umstellungen oder eine neue Systemvariante haben den Zürchern das Ende der Niederlagenserie beschert. Es war die Besinnung auf die «ewigen Werte» des Teamsportes. Romantiker sagen: Auf eben die Werte, die einst der alte ZSC über Jahrzehnte im Hallenstadion hochgehalten hat.
In Kloten ist von Beginn weg bis unters Hallendach zu spüren: Die ZSC Lions wollen diesen Sieg. Unbedingt. Unspektakulär und geradlinig die Spielweise. Kritiker mögen einwenden: Es war ein Sieg ohne Magie. Die Zürcher arbeiteten Hockey. Sie spielten es nicht. Das kann bei einer so talentierten Mannschaft ein Nachteil sein. Aber wenn mit Leidenschaft gearbeitet wird, kann diese Vereinfachung eines unberechenbaren Spiels der Weg zurück zum Erfolg sein.
Das Fehlen eines lauten, charismatischen, dominanten Auftretens kann sich für Marco Bayer als Vorteil erweisen: Er hat die Spieler nicht gegen sich aufgebracht. Also sagt Sven Andrighetto nach dem 4:1 in Kloten: «Wir als Team stehen zu 100 Prozent hinter Marco Bayer.»
Den Tatbeweis für die Solidarität mit dem Trainer haben die Spieler in Kloten fürs erste erbracht. Entscheidend wird nun sein, ob dieses Bekenntnis zum Trainer – und die alte ZSC-Romantik – auch in den restlichen 33 Partien der Qualifikation und vor allem in den Playoffs gelebt wird. Dann nämlich, wenn es darum geht, dass jeder dazu bereit und fähig ist, ans Limit und vielleicht noch ein wenig darüber hinauszugehen.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
-
Er ist
-
Er kann
-
Erwarte
Bei diesem für die ZSC Lions kurzfristig wegweisenden Derby ist beinahe vergessen gegangen, dass auch der EHC Kloten dringend eine Renaissance der «Dorfclub-Romantik» braucht: nur zwei Siege aus den letzten zwölf Spielen und einer davon gegen Ajoie. Noch beunruhigender: In den acht letzten Partien haben die Klotener sechsmal das letzte Drittel verloren. Fehlt die Energie, um das schwungvolle Lauf- und Tempospiel konstant durchzuziehen? Zu viel «Schmetterling-Hockey» und zu wenig «Schablone»? Auf den perfekten Mix kommt es an.
Trainer Lauri Marjamäki hat seine dritte Saison im Schluefweg begonnen. Wer will, kann ihn als Klotens emotionalere Antwort auf Marco Bayer bezeichnen: Zuhören kommt auch bei ihm vor Toben. Sein Vertrag ist vorzeitig bis zum Ende der nächsten Saison verlängert worden. Er darf mit viel Geduld und Schluefweg-Romantik rechnen.
P.S. Luca Cereda war interessierter Beobachter des Zürcher Derbys. Ein Chronist mit Hang zur Boshaftigkeit hätte im Falle einer weiteren Niederlage der ZSC Lions seine Anwesenheit fast nicht verschweigen können. Tatsächlich war Ambris ehemaliger Trainer (er ist nicht gefeuert worden, er ist zusammen mit seinem Sportchef Paolo Duca zurückgetreten) mit einem Freund einfach als interessierter Beobachter und nicht auf Jobsuche im Stadion. Er gehe jetzt ab und an zu Spielen in anderen Arenen. Er sei bereit für eine neue Herausforderung. «Ich brauche keine Pause zum Aufladen der Batterien und ja, ich wäre im Falle eines Falles bereit, ein Team zu übernehmen. Auch in der Swiss League.» Bis Saisonende wird er noch von Ambri gelöhnt.
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